01 Februar 2009

Penetra-, Muta-, Deformationen!

Anmerkungen zum Wahren, Schönen und Guten auf Zelluloid anlässlich der Reihe Bizarre Cinema #3
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Die frühen Filme von Brian Yuzna

Vielleicht musste die Dekade ein solches Ende finden. Ein Jahrzehnt, in dem Unfrisuren wie die von Paul Young und Simon Le Bon als letzter Schrei galten, in dem Filme wie Pretty in Pink und Dirty Dancing die Jugend inspirierten und Molly Ringwald und Michael J. Fox Teenieherzen höher schlagen ließen, verdient wohl keinen anderen Abschluss. Society, der erste Film, den Brian Yuzna als Regisseur drehte, ist eine Austreibung des schlechten Geschmacks mit seinen eigenen Mitteln, eine Kriegserklärung an die Deformationen eines hässlichen Jahrzehnts durch eine Apotheose körperlicher Mutationen.

"Kiss me, stupid!" (Szenenfoto aus Society)

Die Story von Yuznas 1989 entstandenem Film ist ebenso einfach wie effektiv: Der Sprössling einer reichen Familie entdeckt nach und nach, dass hinter den Masken seiner betuchten Verwandten ein Clan polymorph-perverser, glibberig-geiler Swinger steckt, die sich an jeder nur denkbaren Penetra-, Muta- und Deformation delektieren. Geschickt streut Yuzna für seinen jungen Helden und das Publikum Hinweise auf das ungeheure Geschehen hinter den Fassaden der High Society, um schließlich in einem der umwerfendsten Grand-Guignol-Finales des Horrorkinos die vielfältigen Möglichkeiten des seiner biologischen Fesseln ledigen Körpers visuell auszuloten. Da wird kopuliert, gelutscht und mutiert, dass es ein wahrer Augenschmaus ist, Körperöffnungen geben ihre wahren Bestimmungen preis, und verbale Metaphern (zum Beispiel „talking out of one’s ass“, etwa: keine Ahnung haben, wovon man spricht) werden auf spektakuläre Weise wörtlich genommen.

Ja, es gab intelligente Teen-Horror-Komödien, bevor das Genre von der Pest des ironischen College-Slashers befallen wurde, in dem geklonte Hardbodys ihren postmodernen Zitatenschatz vor einem zunehmend gelangweilten Publikum widerkäuen durften. Yuznas erster und bester Film enthält bereits alles, was allen seinen Werken gemeinsam ist: die Vorliebe für die vielfältigen Transformationsmöglichkeiten des menschlichen Körpers, die genialen Ideen des japanischen SFX-Mannes Screaming Mad George, der Yuzna bei fast allen seinen Filmen zur Seite stand, ein wunderbarer Trash-Instinkt und ein Faible für abseitige Sexualität. Dreht sich bei Scream und Co letztlich alles um die Paarung heterosexueller Highschool-Ikonen, hegt Yuzna eine wohltuende Vorliebe fürs Präpubertäre, für das Anale und Nekrophile.

Bride of the Re-Animator

Auch Yuznas zweiter Film Bride of the Re-Animator (1990), das Sequel zu Stuart Gordons Genreklassiker Re-Animator, an dem Yuzna als Produzent beteiligt war, dreht sich um eine nekrophile Fantasie. Der Wissenschaftler Herbert West (Over-Acting als schöne Kunst betrachtet: Jeffrey Combs in seiner ersten, aber keineswegs letzten Zusammenarbeit mit Yuzna) hat ein Serum entdeckt, mit dem er diesmal nicht nur Leichen, sondern auch einzelne Körperteile wiederbeleben kann. Das führt nicht nur zu einem Reigen wild zusammengeschusterter Kreaturen (Köpfe mit Fledermausflügeln, Hände mit Augen etc.), die dem Spielzimmer eines debilen Kindes entstammen könnten, sondern zu dem Plan, aus diversen zusammengeklauten Teilen die perfekte Frau zu schaffen. Anders als in Society feuern Yuzna und Screaming Mad George hier ab der ersten Sekunde aus allen Rohren.


Wie auch die Re-Animator-Trilogie (2003 drehte Yuzna Beyond Re-Animator) beruht der Episodenfilm Necronomicon (1993) auf den Erzählungen eines Autors, dessen Begriff vom "unaussprechlichen Grauen" auch für Yuzna maßgeblich ist: H. P. Lovecraft. Anders als in der moralisch-psychologischen Welt des Stephen King, in der das Böse als Initiationsmetapher für Heranwachsende fungiert und sich durch korrektes Verhalten in seine Schranken weisen lässt, ist das Grauen die Grundsubstanz des Lovecraftschen Universums. Das Böse lässt sich bei ihm weder bannen noch austreiben, es hat keinen festen Ort, manifestiert sich vielmehr in beständigem Wandel und grauenhaften Mutationen. Fügt man dem noch eine Prise Sex hinzu, landet man im polymorph-perversen Reich des Brian Yuzna.

Brian Yuznas Society läuft am Sonntag, den 8. Februar, um 15 Uhr im 3001-Kino

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Bizarre Cinema im Februar:

Sonntag, 8. Februar, 15 Uhr: Society (OV)
USA 1989, Regie: Brian Yuzna, mit Billy Warlock, Connie Danese, Ben Slack
mit einer Einführung von Volker Hummel

Sonntag, 15. Februar, 14.30 Uhr: Libido Mania – Alle Abarten dieser Welt
Italien/Panama 1979, Regie: Bruno Mattei
mit einer Einführung von Torsten Cornils

Sonntag, 22. Februar, 14.30 Uhr: MS. 45 >> Trailer from Hell
USA 1981, Regie: Abel Ferrara
mit einer Einführung von Michael Ranze

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