04 November 2012

Planten und Blomen des Bösen


Im November liefert Bizarre Cinema wieder mal drei gute Gründe, die hochgerüsteten Home-Entertainment-Höhlen zu verlassen und durchs schöne Hamburger Herbstlicht den Weg ins Metropolis-Kino anzutreten (wir empfehlen den Gang durch Planten und Blomen). Auch wenn die Grabbeltische von Saturn das Gegenteil suggerieren wollen: Ein Großteil der Bodensatzes des internationalen Filmschaffens wird nie auf irgendeine Form von Datenträger gepresst werden. Deshalb haben wir wieder unsere Gummihandschuhe übergestreift und drei angemoderte Preziosen dem gemeinschaftlichen Vergessen entrissen.

4.11., 14.30 Uhr: EXZESS – MORD IM SCHWARZEN CADILLAC
I/D 1969, R: Alberto De Martino, mit Robert Hoffman, Dorothy Malone, Luciana Paluzzi, Frank Wolff, Romina Power, Nicoletta Machiavelli
Erst kurze Zeit in den Vereinigten Staaten tätig, klärt ein deutscher Journalist eine mysteriöse Mord- und Erpressungsgeschichte auf und stößt dabei auf einen Dschungel von Korruption und Fäulnis. Italo-Thriller-Sleaze vom Feinsten: Action, Hippie-Orgien und lauter nackte Tatsachen, sowie ein Super-Score von Bruno Nicolai – der Zuschauer kommt aus dem Staunen nicht mehr raus.
Text und Einführung: Torsten Cornils

11.11., 14.30 Uhr: DIE TEUFLISCHEN ENGEL
USA 1967, R: Anthony M. Lanza, 84 Min., mit Dennis Hopper
Dennis Hopper übte hier schon einmal fleißig für seine Rolle in Easy Rider, der zwei Jahre später in die Kinos kommen sollte. Als Anführer einer Motorradbande prügelt er sich mit einem Rivalen um die Liebesgunst einer schönen Frau. Nicht gerade originell, weil ein Lieblingsthema des Biker Movies und schon oftmals gesehen. Noch schlimmer ist aber das Wehklagen der einschlägigen Lexika. So bemängelte der Filmdienst „böse Klischees und kaum bemängelte Vorurteile und Hassinstinkte“, während Leonard Maltin sich über die lausigen Dialoge lustig machte: „Hey, like, ya know, I wanna dance with you, baby.“ So kriegte man damals noch die Mädels rum. Maltins Fazit: „Hilariously bad“, und darin erkennen alle Freunde des Bizarre Cinema eine unzweideutige Handlungsempfehlung: unbedingt anschauen.
Text und Einführung: Michael Ranze

18.11. Kein BC wegen Cinefest
Cinefest-Tipp: Die endlose Nacht von Will Tremper, 24.11., 21.15 Uhr

In Kooperation mit dem Cinefest:
25.11., 14.30 Uhr: DIE NACKTE UND DER SATAN
Dtl. 1959, R: Victor Trivas, 96 Min., mit Michel Simon, Horst Frank
Wer sagt denn, dass in Deutschland keine Horrorfilme gemacht wurden. Mit ein bisschen gutem Willen lässt sich dieser teutonische Nachkriegsgrusel als Variation von Curt Siodmaks Donovans Hirn lesen, geht es hier doch um ein Serum, das erst einen toten Hund, dann einen herzkranken Professor – immerhin dargestellt von Michel Simon – am Leben hält. Dessen abgetrennter Kopf bittet darum, sterben zu dürfen. Doch sein verrückter Helfershelfer – Horst Frank spielt ihn – ist noch nicht zufrieden: Er verpflanzt den Kopf einer verkrüppelten Krankenschwester auf den rattenscharfen Body einer Stripperin – das ideale Liebesobjekt. Victor Trivas, ein russischer Emigrant, arbeitete schon in den zwanziger Jahre mit Georg Wilhelm Pabst zusammen und ist am besten bekannt für seinen pazifistischen Film Niemandsland (1931). Leider ist er als Autor auch für Buster Keatons wohl schlechtesten Film verantwortlich: El Moderno Barba Azul, 1946 in Mexiko entstanden.
Text und Einführung: Michael Ranze


Im Dezember wird dann endlich wieder gekotzt statt gekleckert. Bizarre Cinema hat den Gürtel weitergeschnallt und einen bunten Teller angerichtet, von dem man noch im Januar aufstoßen wird. Neben den Sonntagnachmittagen, an denen diesmal vier fette Pralinen des Exploitation- und Underground-Kinos präsentiert, gibt es als Sahnehäubchen Specials zu zwei Regisseuren, deren Schaffen ganz im Zeichen des totalen Exzesses steht: Zbynek Brynch (12. -18.12. im Metropolis) und Michael Reeves (22.12 im B-Movie, zu beiden zu einem späteren Zeitpunkt mehr).

„Auch Maßhalten muss im Rahmen bleiben“ (R.J. Schlagseite)

2.12., 14.30 Uhr: FIGHT FOR YOUR LIFE
USA 1977; R: Robert Endelson, 82 Min., OF, mit William Sanderson, Robert Judd, Catherine Peppers
Dieser Film beendete die kurze Karriere von Regisseur Endelson! Eine Bande von rassistischen Verbrechern nimmt die Familie eines afroamerikanischen Priesters als Geiseln. Zwar ein Blaxploitation-Ripoff zeitgenössischer Rape/Revenge-Thriller, liefert dieser berüchtigte Schocker jedoch bis heute Material für hitzige Diskussionen. Politisch unkorrekter hat sich kein anderer Genrebeitrag je an die Öffentlichkeit gewagt. William Sandersons unglaubliche Performance ist intensiv bis an die Schmerzgrenze. Klassisches Grindhouse Kino at its best: anstößig, wüst und brachial.
Text und Einführung: Jan Minck

ACHTUNG, PROGRAMMÄNDERUNG:
Statt HORROR-SEX IM NACHTEXPRESS läuft am
9.12., 14.30 Uhr: SIEBEN JUNGFRAUEN FÜR DEN TEUFEL
I 1968, R: Antonio Margheriti, 94 min., DF, mit Mark Damon, Eleonora Brown
Ein abgelegenes Mädcheninternat: Mit Ankunft der neuen Lehrkräfte beginnt eine unheimliche Mordserie unter den Schülerinnen, Motiv und Täter bleiben völlig unklar. Die Mädchen um die vorlaute Jill beginnen selbst zu ermitteln, und auch die Polizei ist dem Killer mit den schwarzen Handschuhen auf den Fersen. Doch ihnen rennt die Zeit davon, denn der Mörder verfolgt einen teuflischen Plan. Ein frühes Giallo-Meisterwerk – wunderbar fotografiert und mit einem Drehbuch, an dem Mario Bava mitgewirkt hat.
Text und Einführung: Torsten Cornils

16.12., 14.30 Uhr: DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE
I/D 1970. R: Dario Argento. 94 min, DF, mit Tony Musante, Suzy Kendall, Mario Adorf
Der amerikanische Schriftsteller Sam Dalmas wird in Rom Zeuge eines Mordanschlags an einer Galeristin. Die Polizei ordnet den Mordversuch einem Serientäter zu, dem bereits schon mehrere Frauen zum Opfer gefallen sind. Nachdem Sam zunächst selbst in Verdacht gerät, beginnt er auf eigene Faust zu ermitteln und bringt damit sich und seine Freundin in höchste Gefahr. Dario Argentos beeindruckendes Regiedebüt überzeugt durch eine visuell raffinierte Inszenierung, bietet pure Spannung und wartet mit einem enervierenden Soundtrack von Ennio Morricone auf. It’s Giallo Time!
Text und Einführung: Mike Schimana

23.12., 14.30 Uhr: LIQUID SKY
USA 1982, R: Slava Tsukerman, 112 Min, mit Anne Carlisle, Paula Sheppard, Otto von Wernherr
Die fliegende Untertasse, die auf dem Dach eines Hauses in New York landet, ist tatsächlich nur ungefähr so groß wie eine Untertasse. Eine Drogendealerin und ihre nymphomanische Freundin versorgen die Aliens mit ihrer Leibspeise: den beim Orgasmus im menschlichen Hirn freigesetzten Endorphinen. Ein Liebhaber nach dem anderen löst sich auf dem Höhepunkt der Lust plötzlich in nichts auf. Johann Hoffman, Wissenschaftler aus Deutschland, ist den Außerirdischen auf der Spur, doch die seltsamsten Wesen in dem bislang einzigen Spielfilm des 1940 in der Sowjetunion geborenen Tsukerman sind letztlich die New Yorker selbst.
Text und Einführung: Kim Susan Rhasārtreh

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